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Angst vor der Arbeit: Das Phänomen verstehen und aktiv dagegen vorgehen

Angst vor Arbeit

Verschiedenste Ängste und Phobien sind auch in modernen Gesellschaften weit verbreitet. Einige davon scheinen Teil des genetischen Erbes zu sein, zum Beispiel die Angst vor Spinnen (Arachnophobie). Andere Ängste hingegen entstehen durch prägende Erfahrungen. Die Angst vor der Arbeit lässt sich in der Regel durch eine negative Lernerfahrung erklären.

Phobien dieser Art verursachen hohen Leidensdruck bei den Betroffenen. Umso wichtiger ist es, aktiv gegen die Angst vorzugehen: Sprechen Sie mit Ihrem Hausarzt und vereinbaren Sie einen Termin bei einem Psychotherapeuten. Die Wartezeit auf einen Therapieplatz beträgt oft mehrere Wochen. Während dieser Zeit müssen Sie Ihre Beschwerden nicht passiv ertragen. Es gibt Selbsthilfe-Tools, die Sie sofort im Alltag umsetzen können.

Die folgenden Abschnitte informieren Sie über die wichtigsten Aspekte zum Thema Angst vor der Arbeit. Sie erfahren unter anderem,

  • wie weit die Angst vor der Arbeit verbreitet ist,
  • welche Symptome mit dieser Phobie einhergehen und
  • was Sie selbst und Ihre Angehörigen aktiv gegen die Angst vor der Arbeit unternehmen können.

Vorab: Grundsätzliche Hinweise zum Thema Angst

Furcht ist ein grundlegendes Gefühl und gehört zum normalen menschlichen Erleben. Dazu zählen zum Beispiel die Angst vor einem Autounfall oder die Befürchtung, das Kind vor der Geburt zu verlieren. Beides stellt eine reale Gefahr dar und die Angst sorgt für umsichtiges Verhalten und sichert somit das Überleben.

Krankhafte Angst zeigt sich in einer unrealistischen oder sehr überschießenden Reaktion. In vielen Fällen mit realistischer Basis. Zahlreiche spezifische Phobien können als extreme Form angeborener Ur-Ängste gesehen werden. Dazu gehören die Angst vor Gewitter oder die Angst vor Dunkelheit. Gewitter sind auch heute noch gefährlich; Spinnen in Mitteleuropa nicht. Das bedeutet: Auch wenn die akute Angst unrealistisch erscheint, hat sie doch einen nachvollziehbaren Ursprung und bedeutet nicht, dass der Betroffene „verrückt“ ist.

Wenn Sie sich mit Ihrer Phobie auseinandersetzen, sollten Sie ebenfalls bedenken: Sogar in einer sicheren Umgebung spürt der Mensch ein „ängstliches Hintergrundrauschen“. Das ist normal und ein Zeichen gesunder Aufmerksamkeit. In ungewohnten Situationen, etwa bei einem Vorstellungsgespräch oder generell bei Veränderungen, steigt die Anspannung an. Ängste, die den Alltag behindern oder die Lebensqualität massiv einschränken müssen behandelt werden. Ein Leben gänzlich frei von Angst gibt es allerdings nicht.

1. Arbeitsplatzphobie – eine ernste Erkrankung

Die „Angst vor der Arbeit“ zählt zu den Angststörungen. Im ICD-10, dem Diagnosekatalog der Weltgesundheitsorganisation (WHO), steht die Arbeitsplatzphobie unter dem Code F40.8 sonstige phobische Störungen. Ob eine Arbeitsplatzphobie im medizinischen Sinne vorliegt, kann nur ein Facharzt oder Psychologe beurteilen. Dazu führt er eine umfassende Anamnese durch.

Die folgenden Symptome sind für eine Diagnose relevant:

  • stark ausgeprägte Furcht vor dem Arbeitsplatz oder damit in Verbindung stehenden Situationen,
  • deutliches Vermeidungsverhalten,
  • vegetative Reaktionen: Herzklopfen, Schweißausbruch, Zittern, Mundtrockenheit,
  • Symptome im Bereich Lunge und Verdauungssystem: Beklemmungsgefühl, Atemprobleme, Übelkeit, Missempfinden.
  • Reaktionen der Psyche: Schwindel, Schwächegefühl, Benommenheit, Gefühl der Unwirklichkeit (Derealisation).
  • Einige Personen berichten darüber hinaus von Hitzewallungen oder Kälteschauern, Gefühllosigkeit und Kribbeln.

Die Symptome können in folgenden Momenten auftreten: auf dem Weg zur Arbeitsstelle, am Arbeitsplatz, am Abend vor dem nächsten Arbeitstag, zum Ende des Urlaubs oder auch in der Nacht in Form von Albträumen. Egal welche Reaktionen vorhanden sind: Sie bedeuten für den Betroffenen eine enorme psychische Belastung. Zusätzlich leiden die Patienten unter ihrem Vermeidungsverhalten. Sie wissen, dass die Angstsymptome der Realität nicht angemessen sind.

Raus aus der Angst... Rein ins Leben!

2. Gründe einer Arbeitsplatzphobie

Erwerbsarbeit ist in modernen Gesellschaften ein wichtiger Teil des Lebens. Die Menschen verbringen den Großteil des Tages am Arbeitsplatz und bestreiten ihren Lebensunterhalt durch ihre Arbeitsleistung. Ihre Leistung und der Status am Arbeitsplatz stellen für viele Menschen eine zentrale Säule des Selbstwerts dar.

Aus den genannten Gründen fällt Angst vor der Arbeit einerseits schneller auf, als etwa eine Spinnenphobie. Gleichzeitig schränken arbeitsplatzbezogene Ängste deshalb die Lebensqualität auch besonders rasch und umfassend ein.

Die folgenden Abschnitte bieten Ihnen einen Überblick über häufige Gründe für die Angst vor der Arbeit. Dabei gilt es wiederum zu beachten, dass Furcht vor neuen Situationen grundsätzlich eine normale Reaktion darstellt. Wenn Sie allerdings den Eindruck haben, dass Ihre Angst Sie zu sehr beherrscht, können Sie in jedem Fall dagegen angehen.

Angst vor neuem Job

Mitarbeiter, die vom ersten Ausbildungsjahr bis zum Renteneintritt in der gleichen Firma bleiben, gehören in der modernen Arbeitswelt zu einer Minderheit. Diese Besonderheit der Arbeitswelt 4.0 bedeutet für Manche eine spannende Herausforderung. Doch nicht jeder Mensch kommt mit häufigen Veränderungen gut zurecht. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, wenn die natürliche Nervosität vor dem ersten Tag in der neuen Firma sich zu einer regelrechten Panik entwickelt.

Die Psychologie zählt den Einstieg ins Arbeitsleben oder einen Arbeitsplatzwechsel genauso wie Umzug, Heirat oder eine ernste Erkrankung zu den kritischen Lebensereignissen (critical life events). Diese Situationen erfordern vom Betroffenen eine besondere Anpassungsleistung.

Die Anfälligkeit steigt, wenn sich kritische Ereignisse aufsummieren. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn der Arbeitsplatzwechsel mit einem Umzug und der Trennung von der Familie einhergeht.

Angst vor Arbeitskollegen oder Vorgesetzten

Der Mensch ist ein soziales Wesen. Positiv erlebte Beziehungen senken das Stressniveau und zählen zu den Resilienzfaktoren. Ein konstruktives, vertrauensvolles Verhältnis zu Kollegen und Chefs stärkt das Selbstvertrauen, die Leistungsfähigkeit und den Arbeitserfolg. Entsprechend schwer wiegen zwischenmenschliche Probleme am Arbeitsplatz. Die Anlässe sind zahlreich:

  • Neid unter Kollegen,
  • großer interner Wettbewerb (etwa wegen einer Beförderung),
  • Angst vor Arbeitsplatzverlust aufgrund einer Umstrukturierung,
  • hohes Stressniveau in der Belegschaft führt rascher zu Konflikten
  • überforderte Führungskräfte und Vorgesetzte laden ihren Stress bei ihren Teams ab.

Vor allem länger anhaltende, unter der Oberfläche schwelende Probleme belasten die Beteiligten. Gesellen sich womöglich noch weitere Stressoren – zum Beispiel Schulschwierigkeiten des Kindes – hinzu, können massive Ängste entstehen.

Mobbing

Die Angst vor Arbeitskollegen oder Vorgesetzten tritt sehr oft durch in Mobbing-Vorfälle auf. Dieses Thema ist sehr umfassend. Es würde den Rahmen des Beitrags sprengen, tiefer darauf einzugehen. Deshalb erhalten Sie an dieser Stelle einen kurzen Einblick. Mobbing bedeutet, einen Kollegen

  • systematisch und
  • über einen längeren Zeitraum,
  • anzufeinden und zu schikanieren.

Das Ziel: Ausgrenzung und Demütigung

Mobbing ist eine Ausgrenzungserfahrung, die den Menschen im innersten Kern treffen kann. Denn: Nicht zu einer Sippe zu gehören, bedeutete für den Steinzeit-Menschen den sicheren Tod. Aus diesem Grund ist dem Homo Sapiens die Geborgenheit und Sicherheit seiner Bezugsgruppe so wichtig. Aus diesem Grund erscheint es nicht verwunderlich, wenn der Betroffene eine behandlungsbedürftige Angststörung entwickelt.

Überforderung und Versagensängste

Unabhängig von den herrschenden Arbeitsmarktbedingungen birgt das Arbeitsleben für Berufsneulinge und „alte Hasen“ immer wieder Herausforderungen. Der Einstieg ins Arbeitsleben bedeutet für junge Menschen immer einen besonderen Schritt. Besonders wenn sie selbst oder die Familie hohe Ansprüche an die berufliche Entwicklung stellen, ist der Schritt zu Versagensängsten oder Überforderung nicht weit. Genauso kann eine Beförderung oder ein Arbeitsplatzwechsel bei dem Betroffenen Furcht auslösen.

Moderne Arbeitswelt und allgemeines Stressniveau

Die aktuellen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen bergen das Potenzial, Angst vor der Arbeit zu fördern. Große Konzerne waren lange Zeit die zweite Heimat für ihre Mitarbeiter. Inzwischen lagern sie ganze Sparten aus, schließen Standorte, verkaufen an Investoren oder strukturieren um. Die Folge sind befristete Verträge und Mitarbeiter, die immer wieder um ihren Job bangen. Gleichzeitig fordern die Arbeitgeber, dass sich die Belegschaft ständig auf neue Technik und veränderte Abläufe einstellt.

Die Angst vor der Arbeit tritt ohne Grund auf

Eine Arbeitsplatzphobie kann sich auch auf dem Boden einer generalisierten Angststörung oder anderen Ängsten und psychischen Erkrankungen entwickeln. So können Ängste nach einem längeren Urlaub, der Elternzeit oder beim Einstieg ins Berufsleben auch auf eine Anpassungsstörung hindeuten. In solchen Fällen scheint sie für den Betroffenen grundlos aufzutauchen. Dies gilt im Übrigen auch für Depressionen und Burnout. Um andere Erkrankungen auszuschließen und die Ursache aufzuklären ist eine fundierte Diagnose durch einen Arzt oder Psychologen unbedingt notwendig.

3. Angst vor der Arbeit: Therapie, Tipps und Selbsthilfe

Krankschreibung und Therapie

Kurze Phasen von Furcht kann der menschliche Organismus selbst regulieren. Dauern die Beschwerden allerdings länger als eine Woche an oder fühlen Sie sich nicht in der Lage, zur Arbeit zu gehen, sollten Sie einen Arzt aufsuchen. Bis der Mediziner eine Diagnose stellt und Sie gegebenenfalls zum Therapeuten überweist, können Sie mit den folgenden Tipps selbst aktiv werden. Eine Krankschreibung können Sie vom Hausarzt in jedem Fall bekommen.

Psychotherapeuten mit Kassenzulassung in Deutschland bieten drei unterschiedliche Therapie-Ansätze zur Behandlung von Angststörungen an: Verhaltenstherapie, tiefenpsychologisch fundierte Therapie oder Psychoanalyse. Die Therapeuten haben in der Regel eine Ausbildung in einem der drei Verfahren durchlaufen. Teilweise integrieren sie Methoden aus einer der anderen beiden Richtungen.

Tipps und Selbsthilfe: Ernährung, Entspannung und Selbsthilfe-Programm

Grundsätzlich gilt: Angst geht immer mit einer erhöhten nervlichen Anspannung einher. Deshalb ist es wichtig, dass Sie sich ausgewogen ernähren. Manche Menschen neigen dazu, bei Stress nichts mehr zu essen, andere leiden unter Heißhunger-Attacken. Bleiben Sie aufmerksam und achten Sie auf Ihre Ernährung.

Lernen Sie ein Entspannungsverfahren oder fangen sie wieder mit Yoga, Meditation oder Muskelentspannung an. Für Einsteiger bieten die regionalen Volkshochschulen verschiedene zertifizierte Kurse an. Regelmäßiges Üben reduziert Ihre Grundspannung und hilft Ihnen zu entspannen.

Vertrauen Sie sich einem Freund oder Familienmitglied an. Häufig tut es gut, das Problem zu besprechen. Angehörige sollten den Betroffenen ernst nehmen und ihm ehrlich zuhören. Gleichzeitig müssen Sie Grenzen ziehen, wenn sie sich selbst überfordert fühlen.

Vernetzen Sie sich mit anderen Betroffenen. Im Netz existieren verschiedene Foren, in denen sich Betroffene und Angehörige austauschen. Wählen Sie aus dem Angebot das für Sie am besten passende aus.

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Das Programm wurde von einer ehemals Betroffenen entwickelt – für Betroffene. Es hilft, die Angst zu verstehen und durch gezielt Übungen zu überwinden.

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Quellen und weiterführende Inhalte:

  • Diagnose: ICD-10-GM2019: www.icd-code.de/icd/code/F40.-.html und
    Artikel Prof. Muschalla: www.gjpsy.uni-goettingen.de/gjp-article-muschalla
  • Mobbing: Deutscher Gewerkschaftsbund: www.dgb.de/mobbing-am-arbeitsplatz-was-tun-bei-mobbing-durch-chef-oder-kollegen
  • Kritische Lebensereignisse: Spektrum der Wissenschaft: www.spektrum.de/lexikon/psychologie/lebensereignisse-kritische

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